Лингвофорум

Die mega-scharfe Hamer-Party
Von Schlampenschleppern und Sparbuchbesitzern
von Silke Mentchen, University of Cambridge
Wenn Tiere die Tiersprache, Korper die Korpersprache und Gangster die Gangstersprache sprechen, dann spicht doch sicher die Jugend die Jugendsprache! Oder? Auf dieser Hypothese basiert jedenfalls das Marketingkonzept fast aller Nachschlagewerke zur Jugendsprache; Wenn du  diese Sprache sprichst, gehörst du auch dazu, zur Jugend, und das ist schließlich ,,cool". In unserer Gesellschaft ist es wichtig, jung zu sein oder zumindest zu scheinen, oder warum gibt es keine Wörterbücher zur Mittfünfziger- oder Rentner-Sprache? Wie jung aber ist unsere Jugend? Wenn man als Mittdreißigjährige/r Wörter oder Wendungen benutzt, die dieser Jugendsprache zugeordnet werden, ist man dann Teil der Jugend oder ein Scharlatan? Jugendliche spre­chen eine eigene Sprache, um sich abzusetzen, um sich mit anderen Jugendlichen zu solidarisieren. Die abgehörte, niedergeschriebene Jugendsprache, die in entsprechenden Wörterbuchern zu finden ist, kann nur Aspekte einer Sprachvariante festhalten, die zu einer bestimmten Zeit hauptsächlich von Jugendlichen gesprochen wird - mehr nicht. Gelegentlich finden sich bei dem aufgelisteten Vokabular auch Ausdrücke, die mittdreißigjährige VIVA-Redakteure ihren jugend­lichen Moderatoren auf den Mund geschrieben haben. Ganz authentisch sind diese Listen offensichtlich nirht.
Wir müssen also unterscheiden: Zum einen das, was Jugendliche untereinander sprechen, was sie täglich spontan erfinden, kombinieren, kollagieren, parodieren.
Bewertungen haben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung im Leben von Jugendlichen. Nur wer weiß, was gerade ,,in" ist und was nicht, kann wirklich dazugehören. Richtig hassen und schwarmen sind Grundingredienzien des Jungseins. Adjektive sowie vorge-schaltete Nomen können starke Signale der Anerkennung bzw. Ablehnung sein. Im positiven Bereich finden wir z.B.: ,,phatt", ,,schau", ,,geil", ,,kultig" und ,,korrekt" und im negativen: ,,assig", ,,schizo", ,,daneben" und ,,hardcore".
Bewertungsadjektive konnen gesteigert werden durch das Kom­binieren mit Präfixen wie z.B. ,,mega-", ,,giga-", ,,ober-" und ,,voll-", oder durch das Vorsetzen von Wörtern wie ,,Hammer-", ,,Bomben-" oder ,,Kult-". So kann man auf eine mega-scharfe Ham­mer-Party gehen oder einen voll-oberkultigen Bomben-Film sehen. Der Kombinationsfreude sind keine Grenzen gesetzt. Neben dem Bewerten von Dingen ist das Identifizieren von neuen Themenbereichen wichtig für Jugendliche. Nicht nur WIE sie über etwas sprechen, sondern vor allem auch über WAS   sie sprechen,  zeichnet Jugendliche als eigene Gruppe aus. Laut einem der neuesten Nachschlagewerke lassen sich die Themen der Jugendsprache den Bereichen Sport, Musik, Mode, Computer, Liebe und Freizeit zuordnen. Aufgeteilt in diese Lebenskategorien finden wir Wörter wie ,,Kickboard", ,,inlinen", ,,Boygroup", ,,Clubwear", ,,user", ,,chatten", ,,Schlampen-schlepper", ,,Sparbuchbesitzer" und ,,Posse". Nicht von ungefahr sind die anglo-amerikanischen Vokabeln hier in der Mehrzahl, denn viele Trends kommen aus den Vereinigten Staaten oder Großbritannien. Völlig zu Recht erheben die Herausgeber keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ganz im Gegenteil: Unter der Adresse //www.szenespra-chen.de findet sich eine Vokabelliste, die die ,,user" ständig komplettieren, korrigieren und auf diese Weise mitgestalten können. Eine spannende Idee! Sprachliche Neuheiten oder Trendverschiebungen dokumentieren sich selbst. Doch Jugendsprache lässt sich nicht auf eine Vokabelliste reduzieren. Da es sich in erster Linie um eine gesprochene Sprache handeft, finden sich viele linguistische Merkmale, die typisch sind für den Prozess des Sprechens. Was sagen Jugendliche z.B., wenn sie sich vergewissern wollen, dass die anderen noch zuhören? Beispiele sind Partikel wie ,,ne?", ,,ey", ,Mann", ,,alles klar?" und ,,okay?". Ebenso ,,typisch" für jugendliche Sprecher sind Wendungen wie ,,oder so", ,,und so", ,,und alles", ,,irgendwie" und ,,ich weiß auch nicht", die so genannten hedges, die eingesetzt werden, um beim Formulieren Zeit zu gewinnen oder Lücken zu füllen.
Ein weiteres Element des Spre­chens von Jugendlichen ist die Parodie oder spielerische Verfremdung von bekannten sprachlichen Mitteln wie z.B. das lässige Ignorieren von syntaktischen Regeln. Adverbien stehen an Stellen, an denen sie eigentlich nichts zu suchen haben: ,,Wir hatten voll den coolen Tag." Andere Elemente wer­den gleich ganz weggelassen
: ,,Auf jeden" ist kurzer und damit besser als ,,auf jeden Fall"; ,,Was geht?" reicht, um als ,,Was geht ab?" (Was machen wir heute? Was ist los?) verstanden zu werden. Hierher gehört auch das Jonglieren mit anderen Sprachen, der englischen eben, und immer häufiger auch der türkischen Sprache. ,,Ich gehe Frankfurt" oder ,,Kommst du Hamburg?" sind Beispiele hierfür, ebenso wie phonetisch der türkischen Aussprache angepasste Wendungen wie ,,Gipsuhar!" und ,,Kuxu nur!" (Gib das sofort her! Da guckst du nur!).
Zuletzt noch ein Tipp: Jugend­sprache ist originell und besitzt einen großen Unterhaltungswert. Von einem Auswendiglernen der Vokabellisten ist aber dringend abzuraten. So ,,cool" man nämlich mit dem richtigen Wort zur richtigen Zeit auch klingen kann, so ,,fett krass" kann man auch danebenliegen und höchst lächerlich wirken. Zu empfehlen sind eher die Webpages des Trendbüros sowie die Seiten //www.jugendsprache.unihannover.de und //www.archetyp.de. Viel Spaß beim Ausprobieren!